Den Schleier lüften
Wagemutig stürzen sie sich immer wieder kopfüber in die Schlucht und lassen sich dann mit ausgebreiteten Schwingen vom Wind wieder nach oben tragen. Es wirkt fast wie ein Spiel und ihr lautes Geschrei ist unüberhörbar. Mitten in dem Krähenpulk ist eine Graja, erkennbar an ihrem langen roten Schnabel und ihren roten Füßen.
Grajas kommen nur auf La Palma vor und sind Seelenvögel. Sie tauchen bei einem Abschiedsritual auf einem Berg für eine verstorbene Freundin auf, sie kommen »einfach so vorbei«, vor allem immer dann, wenn die eigene Seele in Not ist.
Heute ist Samhain und der Schleier zur Anderswelt und zum Reich unserer Ahninnen und Ahnen und der Seelen ist in diesen Tagen besonders durchlässig. Im Grunde existiert er sowieso nur in unseren Köpfen, wir sind alle immer in mehreren Dimensionen gleichzeitig.
Der Tod ist Teil des Naturzyklus
In der Nacht zum 1. November feierten die Keltinnen und Kelten ihr Totenfest, uns allen wird bis heute in dieser Jahreszeit die Unausweichlichkeit des Sterbens bewusst. »Wir müssen lernen, Lebendiges wieder gehen zu lassen und den Tod als Teil des Naturzyklus zu begreifen«, schreibt Ziriah Voigt in ihrem Buch »Ritual und Tanz im Jahreskreis«.
Wir können um Samhain rituell der eigenen Sterblichkeit in die Augen schauen, Abschied nehmen und sogar vorausgegangene Seelen begleiten. Solche aus unserer Seelenfamilie, aber auch fremde, die vielleicht unsere Unterstützung brauchen. Denn mitunter müssen wir Verstorbenen die Richtung weisen und ihnen dabei helfen, ihren Weg ins Licht, ins Ahnenhaus oder wie immer wir es nennen wollen, zu finden.
Ein imaginiertes Lichttor, wo sie schon erwartet werden, kann Teil einer solchen Unterstützung sein. Wichtig ist, selbst geschützt, geerdet vertrauensvoll und angstfrei zu sein und am Tor zurückzutreten und zurückzukehren. Am Ende muss das Lichttor geschlossen werden und sich wieder auflösen. Für mich war es schon öfter eine wunderbare Erfahrung, Seelen zu geleiten. Es ist lichtvoll und voller Frieden.
Lasst uns deshalb voller Vertrauen in die dunkle Zeit gehen, die Schleier heute bewusst lüften und voller Hingabe an das Leben dem Zyklus der Natur folgen.
Von Herzen
Susanne Broos, Verlegerin
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